Das Vereinsarchiv…

… gibt es nicht.

 Es gibt nur DIE ArchivE einzelner Vereinsmitglieder.

In unserem Fall waren das zunächst meines (vor allem Wiener Strassenbahn) und das vom Lokalhistoriker Hellmuth R. Figlhuber (lokalhistorische Bahnbetriebe). Viel später kam noch ein weiterer Vereinskollege hinzu, der heute über ein sehr bedeutendes Archiv verfügt. Ich habe ihn eingeladen, auch sein Archiv hier vorzustellen, aber er ist noch ein wenig zurückhaltend.

 Am Beispiel meines Archives möchte ich nun beschreiben, wie so eine Großsammlung entsteht.

Am Anfang war das Tramwaybildchen

 Das allererste 9x14-Foto habe ich schon im zarten Alter von dreizehn Jahren in der heute schon legendären boutique transalpin von Josef Otto Slezak in der Wiedner Hauptstraße gekauft. Dort konnte man, lange nach dem Ableben von Herrn Slezak, noch bis zum Sommer 2016 (!) immer wieder hochinteressantes Archivmaterial erstehen.

 Bild oben:
Dieses im Text genannte erste Bild hat sich erstaunlicherweise bis zum heutigen Tag in meiner Sammlung erhalten.
Es zeigt K 2445 + Beiwagen als 13er in der Skodagasse.

 

Bilder oben:
die boutique transalpin 

Nun beginnt das „richtige“ Sammeln

 Anfang der 80er-Jahre begann das Sammeln dann im großen Stil. Im ebenso legendären Papierfachgeschäft Ployer in der Ullmannstraße gab es Fotos des leider viel zu früh verstorbenen Meisterfotografen Elfried Schmidt zu kaufen. Wie wenn es gestern gewesen wäre, erinnere ich mich an die mehr als in die Jahre gekommene Papierhandlung und den gefühlt 80-jährigen Herrn Jocham, im eher gelben denn weißen Arbeitsmantel, neben dem seine gefühlt 100-jährige Mutter saß. Die Herren Ernst Wögerer (viele Jahre lang aktiv in einem Kellerlokal eines Modellbahnklubs am Gürtel) und Harald Herrmann verkauften ihre eigenen Aufnahmen. Später konnte ich dann auch noch bei weiteren Herren kaufen.

 Diese frühe Sammelwut hatte noch gar nichts mit dem späteren Stadtverkehrsmuseum zu tun, es ging nur darum, möglichst viele Bilder von Wiener Straßenbahnwagen zu ergattern.

Parallel dazu wurden auf den Schrottplätzen hinter der Zentralwerkstätte, sowie etwas später auch bei den Firmen Metall-Ritter und Eltschka mit dem Sammeln von „Teilen“ (Kurbeln, Wagenfenstern und –türen, etc.) begonnen, deren Aufbewahrung im gemeinsamen Haus und im Garten den Angehörigen immer viel Freude bereitet hat. Dieses Sammeln nahm ab 1987 stark zu, weil ich ab da Ersatzteile für meine beiden frisch erworbenen Straßenbahnwagen benötigte.

Für die geplante Sanierung ebendieser Waggons waren auch Zeichnungen nötig, die dank guter Kontakte in die Zentralwerkstätte Simmering ebenfalls beschafft werden konnten. So entstand nach und nach ein Netzwerk und das Archiv wuchs und wuchs, nicht zuletzt auch durch Übernahme von Nachlässen und Fremdarchiven.  

 Bilder oben: Ein Beispiel: In diesen Ordnern sind, Fahrzeug für Fahrzeug, die elektrischen Stadtbahnwagen der ersten Generation archiviert, darunter auch jene, die bis 1968 im Strassenbahnbetrieb (vor allem auf der Linie 60) zum Einsatz gekommen sind. Der aufgeschlagene Ordner zeigt Bilder vom N60 2720

 

Jetzt steigen die Anforderungen

 

Mit der Gründung des Vereins Mödlinger Stadtverkehrsmuseum im Jahre 1988 wurden die Anforderungen ungleich größer. Denn nun war die Sammel-Thematik erheblich auszudehnen. Hier war das Archiv von Professor H. R. Figlhuber zunächst eine große Hilfe. Doch der hatte den Großteil seines Materials schon in einschlägigen Büchern verarbeitet. Und wir wollten im späteren Museum natürlich Neues herzeigen.

Damit begann es dann, ernstlich ins – private! -  Geld zu gehen. Denn nun waren Antiquariate und diverse Tauschtage zu besuchen, Portale wie zvab.com oder eurobuch.com anzuklicken und einschlägig auszuräubern, sowie bei Auktionen mitzubieten.

 Denn ich hatte vor vielen Jahren in einem Museum gesehen, was es bei unserem Museum der Zukunft unter keinen Umständen geben sollte: Da waren in den Schautafeln schlechte Schwarz-weiß-Kopien aus längst publizierten Büchern zu sehen, gleich inklusive den Texten.

Also: kaufen, was man zum Thema kriegt, war die Devise. Und da konnte (kann auch heute noch!) EINE Top-Ansichtskarte schon mal 80 Euro kosten und EIN Albuminfoto 150 Euro.

Bild oben:
Diese Glasplatte im Format A5, die einen Poststellwagen zeigt, der auch im Bezirk Mödling zum Einsatz gekommen ist, konnte ich mit etlichen anderen bei einer Auktion ersteigern.
Damit war auch die Anschaffung des ersten Scanners mit A4-Durchlichteinheit notwendig geworden! Aufnahmeort all dieser Glasplatten war die Waggonfabrik Rohrbacher in Hietzing.

 

Resultate derartiger finanzieller Blutopern finden Sie zum Beispiel in den beiden Büchern über die Hinterbrühler Elektrische („Elektrisch in die Hinterbrühl“ Band 1 und 2, insgesamt 344 Seiten). Sieben dicke Ordner habe ich über diese Bahn angelegt, die von 1883 bis 1932 in Betrieb war. Aus diesen wurden dann die Ausstellungen und die Bücher gespeist. Ähnliche Ordnerkonvolute gibt es unter anderem auch über die Dampftramway, sowie die Straßenbahnlinie 360.

Bild oben:
Dieses von Michael Weininger aufwändig restaurierte Kartonfoto habe ich auf einem Flohmarkt unter lauter bedeutungslosen Bildern entdeckt. Es zeigt einen Zug der elektrischen Bahn Mödling-Hinterbrühl in der Endstelle Hinterbrühl. Das Auffinden derartiger Bilder kommt leider sehr, sehr selten vor!

 

 Bild oben:
Und hier können sie dann die Archivinhalte sehen. Der Schauraum unseres Museums

 Darüber hinaus waren für das Museum natürlich jede Menge Landkarten und rein ortshistorische Aufnahmen aus verschiedenen Epochen zu erwerben.

 Das eigene fotografische „Schaffen“ begann 1987 zunächst mit einer pocket-Kamera. Ab 1991 ging es dann mit Spiegelreflexkameras ernsthafter weiter. Schwerpunkte waren die Sanierungsdokumentation der eigenen Wagen, sowie Typenfotos von Fahrzeugen vor allem in der Zentralwerkstätte und hier in erster Linie die ausgeschiedenen Waggons. Zum Einsatz kamen da, verpackt in einer wuchtigen Tasche, drei Spiegelreflexkameras (Farbe, schwarzweiß und Dia), sowie zwei schwere Metz-Stabblitze, auf die die jeweils eingesetzten Kameras montiert wurden. So entstanden, vor allem in den Jahren 1991 bis 2005, tausende Aufnahmen, die heute auch schon wieder historisch sind.  

Für die geplante Sanierung ebendieser Waggons waren auch Zeichnungen nötig, die dank guter Kontakte in die Zentralwerkstätte Simmering ebenfalls beschafft werden konnten. So entstand nach und nach ein Netzwerk und das Archiv wuchs und wuchs, nicht zuletzt auch durch Übernahme von Nachlässen und Fremdarchiven. 

Ein weiterer Forschungsbereich ist die Urgeschichte der elektrischen Bahnen Europas zu Werner von Siemens Lebzeiten. Hier konnte ich aus der ganzen Welt (z.B. über abebooks.com) eine große Menge an Fachliteratur beschaffen, zum weitaus überwiegenden Teil in englischer Sprache. Eine Publikation zu diesem Thema nehme ich mir für die Pension vor.

 Bild oben: So ein Fang ist natürlich ein – sehr teurer! - Glücksfall: ein 1883 herausgegebenes Kartonfoto, das die elektrische Probebahn im Wiener Prater zeigt. Das Ding ist also 138 Jahre alt! Im Unterschied zum Foto der Hinterbrühler Elektrischen zeige ich es unrestauriert.

 

Über die Jahrzehnte ist mein Archiv also zu einer beträchtlichen Größe angewachsen.

Und so wird derzeit für die BesucherInnen des Museums für die neue Schau, die ab 2023 laufen wird, schon wieder Vieles an zuvor noch nie veröffentlichtem Material vorbereitet!

Wenn sie also auf den Geschmack gekommen sein sollten: schaffen sie sich ein eigenes  Archiv, egal, welches Thema sie wählen. Es macht Freude!

 

 

Anhang: Zur Warnung an all Jene, die sich ein Archiv aufbauen wollen!

Wie man ein Archiv, bzw. eine Sammlung misshandeln kann

Raumnot

 ist Gift für jedes größere Archiv. Man hat am Ende des verfügbaren Platzes noch viel zu viel Material und versucht das Problem dann durch „Komprimieren“ des Materials zu lösen. Schließlich quillt es aus Kästen und Regalen heraus und bildet bei Berührung gletscherzungenartige Abhänge.

Unordnung

ist ebenfalls unter die Archivgifte einzuordnen. Man stopft Neuzugänge einfach irgendwo hinein und hat dann am Ende eine Sauerei beieinander, in der kaum noch etwas zu finden ist.

Feuchtigkeit

ist der Tod jedes Archives, das auch nur irgendwie mit Papier, Negativen, Glasplatten, etc. zu tun hat. Daher sollte man derartige Materialien NIEMALS in Kellern verwahren, deren absolute Trockenheit nicht garantiert werden kann. Aneinander klebende Bilder und Schimmel sind häufige Folgen derartiger „Verwahrungen“.

Verfassen von Publikationen und Gestalten von Ausstellungen

Solcherlei Arbeiten sind auch für den ordentlichen Archivar eine enorme Herausforderung. Denn es lässt sich dabei nicht vermeiden, aus –zig Ordnern einzelne Bilder zu entnehmen, bzw. aus ebenso –zig historischen Büchern herauszukopieren. Zwischenzeitliches Opfer ist die Ordnung. Jedenfalls muss der Archivar nach derartigen Ereignissen immer eine Erholungsphase für das Archiv einplanen.

Umzug

Mit diesem Problem kämpfe ich in diesen Tagen. Aus organisatorischen Gründen muß ein Großteil des Archives inklusive diverser Regale in den 1. Stock übersiedeln. Zwischenzeitlich schauen die alten und die neuen Räumlichkeiten aus, als hätten Bomben eingeschlagen. Dass ich zu alldem noch mitten in der kritischen Umzugsphase einen gewaltigen Nachlass erworben habe, trägt auch nicht gerade zur raschen Normalisierung der Verhältnisse bei. Derartige neue Großkonvolute sind schon für ein an sich ordentliches, nicht vom Umzug malträtiertes, Archiv eine große Herausforderung.

Bild oben: Ein kleiner Teil des Archivmaterials ist zur Umsiedlung vorbereitet

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